Freitag, 9. Januar 2015



© Wieslster Witold

Übersetzung aus dem Italienischen:
Brunhilde Miriam Bertotto




Entspannung und Wiederherstellung des psychophysischen Gleichgewichts:
Wo und mit wem?


Hier in dieser Zeitschrift haben wir bereits mehrmals von den wohltuenden Auswirkungen für Körper und Geist gesprochen, die man durch das Erlernen geeigneter Entspannungstechniken und Gedankenkontrolle erreichen kann. Normalerweise gestatten es uns diese Techniken, ein Gleichgewicht wiederherzustellen, das von oft heftigen Aggressionen von außen, aber auch oft von gleichfalls heftigen und unkontrollierten inneren Aggressionen, durch unsere Gedanken, Sorgen, Ängste und Beklemmungen geschädigt worden ist.
Wir haben, wenn auch notgedrungenerweise nur unvollständig, die Mechanismen erklärt, die ins Spiel kommen, wenn man die psychodynamischen Techniken zur Wiederherstellung des Gleichgewichts anwendet. Wir haben uns lange bei der Notwendigkeit die Gedanken zu kontrollieren, den Willen zu erziehen und geistige Ruhe zu auszuüben aufgehalten. Abschließend sagten wir dann, dass man diese Techniken überall, bei jeder Gelegenheit und in jedem Augenblick verwenden kann, was uns erlaubt, die Energie sofort zurückzugewinnen, wodurch wir unsere Tätigkeit wieder aufnehmen und unser Leben bewusster und mit größerer Ruhe, Objektivität und Optimismus weiterführen können.
Dennoch, bevor wir versuchen, den Faden dieser Unterhaltung, die bei unseren Lesern auf so großes Interesse gestoßen ist wieder aufzugreifen und bevor wir uns in die besonders technischen Argumente (kontrollierte Atmung,  Energieentladung, etc.) vertiefen, halten wir es für notwendig, uns mit dem „Ort“ zu beschäftigen, dem dinglichen Platz, an dem diese persönliche Suche nach Wiederherstellung des Gleichgewichts den größten Erfolg erzielen kann. Außerdem möchten darüber sprechen, warum die Gegenwart einer Gruppe, die zusammen mit uns arbeitet und mit der man sich gegenseitig führt und abgleicht, nicht nur nützlich, sondern oftmals sogar unentbehrlich ist.
Die psychophysische Entspannung ist überall und zu jeder Zeit möglich. Wir müssen jedoch zugeben, dass in unserem Zuhause, am Arbeitsplatz, in einem Eisenbahnwagon oder Automobil keine völlige Abtrennung von der äußeren Welt möglich ist. Nennen wir es einmal so, wir bleiben mit ihr und ihren Belastungen in Kommunikation; da gibt es das Klingeln des Telefons, das die eben begonnene Entspannung unterbricht, oder das Glöckchen, das einen in das Zimmer des „Chefs“ ruft, den Reisegefährten, der das Wort an einen richtet oder die Hupe eines anderen Autos, die einen aufregt.
Wie wir bereits in unserem Artikel über Metaphonie (siehe Nr. 56 der Zeitschrift) zur Sprache gebracht haben, besitzt jeder Raum, jede Umgebung eine Anziehungs- und Ausstrahlungsfähigkeit.
Diese Eigenschaften sind nicht nur die typischen Eigenschaften des Materials, aus dem solche Räume gebaut sind, sondern sie wurden auch von den Gefühlen, Gedanken und Gemütszuständen der Menschen, die dort häufig oder gelegentlich ein und aus gingen geprägt.
Jeder Raum bewahrt also jene Ressentiments auf und prägt sie sich sogar ein, die wir mit der Zeit erlitten oder verursacht haben, jene kleinen und großen Missgünste, die wir und die Anderen in uns tragen und von denen wir glauben, dass sie nicht ersichtlich werden.
Das alles trägt dazu bei, eine gewiss nicht optimale Atmosphäre für das Ziel, das wir uns vorgenommen haben, zu schaffen. Dagegen gibt es Orte, die mit Ruhe erfüllt sind, weil dort vorwiegend Menschen verkehren, die, wenn sie eintreten versuchen genau diese Gemütszustände, diese Ressentiments und diese negativen Interferenzen, die wir vorhin angedeutet haben, abzulegen, auszulöschen und zu überwinden.   
Wir alle, die bei Vita Nova ein und aus gehen wissen aus direkter, wiederholter Erfahrung, dass allein schon die Tatsache einen Raum zu betreten, der nicht unsere gewohnte Umgebung ist, bei uns eine Veränderung auslöst. Dieser Raum bringt uns von den kleinen und großen Problemen, die uns den ganzen Tag über begleitet haben ab, er lässt uns in eine von Freundschaft und gemeinsamen Interessen und Absichten geprägte Atmosphäre eintauchen, er stimmt uns auf die Ruhe ein und  hilft uns jene Unparteilichkeit, die für das Weitermachen notwendig ist, zurückzugewinnen.
Sabino Acquaviva, Ordinarius der Fakultät für religiöse Soziologie an der Universität von Padua, beschreibt in seinem Artikel dieses menschliche Bedürfnis meisterlich, jenes Bedürfnis nach einem Ort, der die Selbstfindung und das Zusammentreffen mit der Spiritualität, unabhängig von dem eigenen, religiösen Glauben oder dem Fehlen des Glaubens begünstigt. In einer säkularisierten Gesellschaft gewinnt die Kirche, auch das Gebäude als Kultstätte, immer ausgedehntere und von den traditionellen abweichende Bedeutungen. Kurz gesagt, heute existiert eine ganz weltliche Bedeutung der Kirche und ebenfalls weltlich-soziale Funktionen derselben…
„Wenn man die religiösen Praktiken und den Anschluss an eine Kirche als irgendetwas betrachtet, das das religiöse Bekenntnis des Einzelnen bekundet, so kann die religiöse Erfahrung (deren Merkmale reichhaltig, vielschichtig und weitverbreitet sind) für alle da sein. Außerdem sind ihre Grenzen unbestimmt. Beim Menschen gibt es in der Tat ein Bedürfnis nach Unsterblichkeit, das jeder Theologie oder Philosophie vorausgeht, also auch jeder historischen Religion. Es handelt sich um eine Notwendigkeit, die sich im Sinne seiner eigenen Grenze ausdrückt, die ihrerseits an die Gewissheit gebunden ist, dass jeder Mensch sterben muss.
Im Übrigen ist das Bedürfnis ewig zu dauern eines der Grundelemente (und zumindest teilweise genetischen Ursprungs) dessen, das sich einst Naturreligion nannte. Außerdem ist mit der menschlichen Natur gleichfalls das Bedürfnis zu lieben und geliebt zu werden verknüpft, welches auch zu dem Netz der religiösen Erfahrungen gehört.
Zu guter Letzt gibt es dann noch das Bedürfnis nach Kenntnis und Wissen, um eine Antwort auf die grundlegenden Fragen zu bekommen, die sich der Mensch aus religiösen Gründen zu stellen neigt.
Vielleicht aus dem Grund, weil die Religion eins ist mit einigen Bedürfniswerten. Aus einer tiefgreifenderen Analyse geht nämlich auch eine Beziehung zwischen dem Gleichgewichtsgrad der Persönlichkeit und dem Vorhandensein einer tiefgründigen, religiösen Erfahrung hervor. Somit ist die religiöse Erfahrung, abgesehen von den verschiedenen Glaubensrichtungen, eine Antwort auf psychologische Bedürfnisse und damit auch auf das Problem der Angst oder Beklemmung. Die Ermittlungen zeigen in der Tat, dass es sich um die Erfahrung mit einer Übermacht handelt die, durch ihre Gegenwart Heiterkeit oder Freude oder ein Gefühl der Sicherheit, usw. vermittelt.“
„Wenn also die Religion eine – nennen wir es einmal so – bekennende Wirklichkeit ist, so ist die religiöse Erfahrung eine anthropologische Tatsache die alle betrifft und sie steht in enger Beziehung mit den wesentlichen Problemen unseres Lebens: ist die Religion bekennend, so ist die Frömmigkeit doch oftmals vollkommen weltlich.“
„Bei vielen Untersuchungen wurden auch Fragen hinsichtlich der Orte, an denen diese Erfahrungen erfolgen, gestellt und wo die Einzelnen also anscheinend (unabhängig von der Religionszugehörigkeit) ihre emotionalen und psychologischen Probleme und das Bedürfnis ihrem Sein auf dieser Welt Sinn zu geben, offenbaren.“
„Für viele ist die Kirche, verstanden als Gebäude, dieser Ort der religiösen Erfahrung.“
Wenn man Professor Acquavivas Artikel liest, wird man sich bewusst, dass das, was von ihm „religiöse Erfahrung“ genannt wird, wahrscheinlich die gleiche „Meditation“ ist, auf die wir uns beziehen.
Unseres Erachtens besteht der Hauptunterschied in der Tatsache, dass der Großteil der Personen diese Erfahrung spontan erlebt, nicht rational, oder zumindest rational nachvollziehbar.
Wenn wir stattdessen von Entspannung sprechen, von einem dynamischen Ausrichten der Gedankenenergie, von der Wiederherstellung des psychophysischen Gleichgewichts, dann meinen wir etwas Gewolltes und rational Gesuchtes, etwa aktiv Erlebtes; wir sprechen von einer bewusst getroffenen Wahl, die mit Bestimmtheit vorangebracht wird.
Es gibt in der Tat einen zweifachen Weg, den man einschlagen kann. Auf der einen Seite die spontane Entladung der Spannungen, die mit Sicherheit wohltuend ist, wenn auch nur teilweise. Das, was wir im Schlaf erhalten, bekommen wir auch wenn wir in die Stille einer fast menschenleeren Kirche eintauchen, uns der Betrachtung eines Kunstwerkes hingeben oder wenn wir am Ufer eines, schon in den subtilen herbstlichen Nebel gehüllten Sees spazieren gehen.
Auf der anderen Seite ist dann der bewusste Weg der Spannungsentladung, verbunden mit dem ebenso bewussten Willen zu vermeiden, dass sich weitere Spannungen anhäufen.
Es liegt auf der Hand, dass die Suche nach einem psychophysischen Gleichgewicht an dem passenden Ort mit gut vorbereiteten Personen erfolgen sollte. Diese Suche kann unter Führung oder mit Hilfe erfolgen, wodurch bessere, dauerhaftere und stabilere Ergebnisse erzielt werden können.
Außer den gewissen Grundvoraussetzungen, die wir in der Tat schon auf den Seiten unserer Zeitschrift besprochen haben, wie Gedankenkontrolle, Erziehung des Willens und geistige Ruhe, gibt es noch weitere spezifische Techniken (Entspannung, kontrollierte Atmung, etc.). Diese besonderen Techniken gestatten es uns, Mechanismen in Gang zu bringen, gewisse Mechanismen regelrecht „anzuknipsen“, durch die unsere Energie und die uns umgebende frei fließen kann und sie erleichtern somit das Beseitigen der sowohl psychischen als auch physischen Blockaden, die wir in uns tragen und die die Belastungen, denen wir ständig ausgesetzt sind, fortlaufend schaffen.
Der Mensch hat die Möglichkeit, sich seiner selbst wieder anzueignen, jenes Selbstbewusstsein wieder zu erreichen, das keine Überheblichkeit ist, sondern die Fähigkeit, sich anzupassen und sein Dasein auf Erden bestmöglich zu führen, indem er gleichzeitig die notwendigen Voraussetzungen schafft und sich unbeschwert auf eine andere Art zu leben vorbereitet, auf ein Leben in einer anderen Dimension.
Aber das ist noch nicht alles.
Wenn die ersten Abschnitte, die typischerweise das psychophysische Wohlbefinden betreffen überwunden sind, ist es durch diese Techniken tatsächlich möglich mit dieser tiefsinnigen Kommunikation zu beginnen, an der auch die geistige Ebene teilhat. Viele von uns versuchen diesen Kontakt herzustellen, ohne gewisse Richtlinien zu befolgen und oftmals gelingt es ihnen nicht.
Um diese zweite Phase einzuleiten bedarf es der Anwesenheit von Personen, die sich wie wir dazu entscheiden, für eine gewisse, auch kurze Zeit ihr Alltagsleben zu unterbrechen, den Schalter auf ‚aus‘ zu stellen und den Stecker aus der Steckdose zu ziehen. Personen, die wie wir einen gemeinsamen Willen in Gang setzen, jene Gemeinsamkeit von Interessen und Absichten, die uns zu Gesprächen und Dialogen anleitet.
Die Kommunikation mit der geistigen Ebene geht in der Tat nur über die Kommunikation zwischen Einverleibten.  
Wir haben enorme Schwierigkeiten zu reden, uns aufrichtig und ohne Vorbehalte zu öffnen, uns von unseren kleinen oder größeren Befindlichkeiten loszulösen, uns zum Zuhören bereitzuerklären, uns an ein Thema zu halten ohne abzuschweifen, fragwürdige Punkte zu klären und jene strittigen genau zu prüfen.
Bei den Zusammenkünften, an denen ich teilgenommen habe, nahm oft die Verwirrung die Schlüsselstellung ein. Jeder Einzelne hielt stur an seinen eigenen Ideen und seinen eigenen Bedürfnissen fest. Es gelang ihm nicht, sich herabzulassen und sich in das aufs Tappet gebrachte Problem hineinzuversetzen.
Oftmals wird man Zeuge einer zwar nicht tadelnswerten, aber auch nicht erwünschten Tatsache, dass nämlich die Person, die die Gesprächskunst am besten beherrscht oder die sogar unbewusste Führungsfähigkeiten besitzt, die Führung der Sitzung übernimmt und sie nach ihrem Ermessen leitet. Wozu sollte aber stattdessen die Gruppe nützen?
Wie bereits festgelegt, ist die Gruppe eine Gesamtheit die eine eigene Gestalt angenommen hat und unter „Gruppenarbeit“ versteht man jedwede Arbeit, die von mehreren Personen, die die gleichen Absichten haben gemeinschaftlich ausgeführt wird. Daraus ergibt sich die logische Schlussfolgerung dass, wenn man gemeinsame Absichten hat und wenn alle auf das gleiche Ziel hinauswollen, die gemeinschaftlich ausgeführte Arbeit die Fähigkeiten jedes Einzelnen steigert und so die Bedeutung des ständigen Austausches von Mensch zu Mensch und von der menschlichen Ebene zur geistigen Ebene erweitert.
Jede Arbeit, sei es Forschung oder Experimentieren, wenn sie wirklich gemeinschaftlich ausgeführt wird, verfeinert die individuellen Fähigkeiten, hilft dabei, besser entscheiden und wahr und falsch trennen zu können und bringt uns dazu, nicht nur Beobachter und Zuhörer zu sein, sondern Teilnehmer. Der Alleinarbeit fehlt, schon durch ihre Art, jene rationale Kontrolle und jene objektiven Vergleiche, die bei der Teamarbeit zugesichert sind. Wenn die Ergebnisse der einzelnen Personen abgeglichen werden, wird das Fehlerrisiko auf ein Minimum reduziert. Wenn sich die Ergebnisse der einzelnen Personen decken, werden Zweifel schneller überwunden und die Gewissheit, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben, nimmt zu.
Deshalb dient die Gruppe dem Vergleich, ist sie ein unterscheidendes Element, um Überbau, Blendwerk, Abfall und Nutzloses abzuwägen und zu vermeiden und um dann zum Hauptpunkt zu kommen: die Vorsicht aller dient jedem Einzelnen. Nur so erhält man eine Synthese, die die Antwort zum Ausdruck bringt, von der dann die nächste Frage ausgeht, sowie die nächste Erforschung und die nächste Synthese.
Die ideale Gruppe setzt sich logischerweise aus gleichgesinnten und befreundeten Personen zusammen, die nicht nur ein gemeinsames Ziel verbindet, sondern auch gemeinsame Gefühle und Reaktionen. Nur wenn der emotionale Beitrag jedes Einzelnen, auf den man nie verzichten kann und das gilt auch für die geistige Ebene, tatsächlich analog ist, kann jene Schwingung entstehen und sich bemerkbar machen, die uns klar zu verstehen gibt, dass wir nie allein gelassen sind.
 Auch wenn wir hier nur im Allgemeinen sprechen, so zeigt es uns doch, wie wichtig die Harmonie der Gruppenmitglieder ist. Bestehen Einhalte, mentale Vorbehalte, überlegenes Verhalten oder Minderwertigkeitskomplexe, gibt es keine Harmonie mehr und das Konzert kann nicht orchestriert werden. Übrig bleibt ein Mischmasch von Tönen die, wenn man sie einzeln vernimmt sogar angenehm sein können, hört man sie jedoch in ihrer Gesamtheit an, werden sie als störend empfunden.
Um den Erfolg der Arbeitsgruppe zu gewährleisten, muss sie allen Mitgliedern sowohl größere Ruhe vermitteln, als auch eine erhöhte Fähigkeit, sich von der individuellen Basis loszulösen zu können, um auf einer Ebene zu arbeiten, die die gemeinsame Essenz aller ist, der inkarnierten und nicht inkarnierten Geistwesen, d.h. also auch auf der geistigen Ebene.
Warum bestehen wir im Rahmen dieses Artikels so sehr auf dem Gruppenkonzept, wo doch eigentlich der geeignete Ort zum Lernen, sowie die Personen, mit denen man die Entspannungstechniken und die dynamische Ausrichtung der Gedankenenergie ausüben sollte seine Thematik ist?
Den Grund hierfür haben wir bereits genannt, wollen ihn aber nochmals bekräftigen.
Wenn es auch möglich ist, allein und oft auch spontan einen gewissen Grad an Entspannung, eine Entladung der Spannung, oder das psychophysische Gleichgewicht zu erreichen, so steht doch fest, dass bei einer wirkungsvollen gemeinschaftlichen Aktion in der Gruppe, die von jedem Einzelnen ausgedrückte und veräußerlichte Kraft summiert wird. Diese geballte Kraft steht nicht nur uns selbst zur Verfügung, sondern auch der geistigen Ebene.
Carla Ferraris – Vita Nuova
Diese Techniken können überall, bei jeder Gelegenheit und in jedem Moment angewendet werden und wir gewinnen unsere Energie sofort zurück. Dadurch sind wir in der Lage, unsere Tätigkeit wieder aufzunehmen und unsere Leben bewusster, ruhiger, objektiver und optimistischer weiterzuleben.



Keine Kommentare: